Sportmedizinische Aspekte des Golfsports
Zusammenfassung
(Roland Wolff/Folker Boldt)
Mit der wachsenden Beliebtheit des Golfspielens nehmen auch die medizinische Probleme dieser Sportart zu. Die Herz-Kreislauf-Beanspruchung ist beim Golfsport im Allgemeinen gering bis moderat. Sie wird im Wesentlichen bestimmt vom allgmeinen Trainingszustand, den äusseren Bedingungen (klimatische Verhältnisse, Geländebeschaffenheit) und der psychischen Belastung.
Das Stütz- und Bewegungssystem wird dagegen durch die spezielle Bewegung beim Golfschwung, besonders bei fehlerhafter Technik und zu hohen Trainingsumfängen, häufig kritisch belastet... Rund 40 Prozent der Freizeitgolfer leiden zumindes zweitweise unter Beschwerden, vor allem im Bereich des Rückens, der Hand- und Ellbogengelenke. Golf ist insgesamt betrachtet eine Sportart, die aufgrund der körperlichen Mehraktivität und des moderaten und dosierbaren Beanspruchungsprofil auch unter präventivmedizinischen Gesichtspunkten empfohlen werden kann. Das Golfspielen wird vielfach als eine Sportart angesehen, für die keine besonderen körperlichen Voraussetzungen erforderlich sind, da die Belastung als eher gering eingeschätzt wird. Der Golfsport wird auch in nächster Zeit weiter expandieren.
Leistungspsychologische Grundlagen
Bei einer Golfrunde werden 18 Löcher gespielt und hierbei durchschnittlich 100 bis 200 Schwünge, einschliesslich Probeschwünge durchgeführt. Zwischn den einzelnen Schlägen bewegt sich der Spieler zu Fuss fort. Allerdings kann auch ein spezielles Gefährt (Buggy) benutzt werden. Die Golftasche mit den Schlägern, die rund 10 bis 15 Kilogramm wiegt, wird nur noch selten getragen, sondern auf einem sogenannten Caddywagen gezogen. Insgesamt werden während einer Golfrunde 8 bis 10 Kilometer während 4 bis 6 Stunden zurückgelegt.
Beanspruchung des Stütz- und Bewegungssystems
Leistungsbestimmender Faktor für einen guten Golfschwung ist die Koordination, weniger die Kraft. Beim Rückschwung werden die Schulter, die Hüften, die Kniegelenke und die Wirbelsäule rotiert. Probleme können an der Lendenwirbelsäule und am Handgelenk entstehen. Der Abschwung mit dem Treffmoment komprimiert das rechte Handgelenk beim Rechtshänder. Das rechte Kniegelenk wird valgisierend belastet. Nach dem Ballkontakt wird im Durchschwung besonders die Lendenwirbelsäule beansprucht.
Der Golfschwung bewirkt ein komplexes Belastungsmuster der Wirbelsäule. Nach Hosea und Mitarbeitern treten Scherkräfte in Grössenordnungen von 596 N bei Amateuren und 329 N bei professionellen Spielerinnen und Spielern auf, Kompressionskräfte leigen beim Achtfachen des Körpergewichts. Das Ende des Durchschwungs, besonders bei ausgeprägtem Finish, ist mit einer Hyperlordosierung verbunden. Beim Putten wird die Rücken-/Streckmuskulatur statisch beansprucht. Sie neigt bei ungenügender Ausbildung zur Verkürzung und zum Hartspann, was häufig ebenfalls Ursache von Beschwerden ist. Der Golfschwung erfordert eine hohe synchrone Aktivität im Bereich der Rotatorenmanchette der linken Schulter.
Spezifische Verletzungen
Sportartspezifische Verletzungen beim Golf sind relativ selten. Sie entstehen durch Unachtsamkeit beim Schwung (Schlägerverletzung) oder durch Ballverletzung (Platzwunden, Augenverletzungen), bei Fehlschlägen sowie beim Schlag in den Boden. Akute Muskelverletzungen (Muskelzerrungen, Muskelrisse) und Verstauchungen betreffen vor allem die Rückenstreckmuskulatur, Schultergürtel (bei "Luftschlägen") und Arme (Ellbogen, Handgelenke). Auch Distorsionen des Sprunggelenks können auftreten.
Beschwerden durch Überbelastung
Über Beschwerden als Folge chronischer Überbelastung kalgen mehr als 40 Prozent der Golfer. Betroffen sind vor allem Wirbelsäule, Ellbogengelenk und Hand sowie Schulter, seltener das Kniegelenk. Wobei sich die häufigste Lokalisation in Abhängigkeit von der Erfahrung (Technik, Alter und Geschlecht) leicht modifiziert.
Männer klagen häufiger über Beschwerden als Frauen udn Anfänger wiederum häufiger als fortgeschrittene Golfspieler. Beim professionellen Golfer sind meist Handgelenke und Schulter betroffen, Ursache der Überbelastung ist die häufig wiederholte gleichförmige Bewegung. Der Freizeitsportler "schädigt" sich eher durch falsche Technik. Bei älteren Golfspielern treten häufig Überlastungsbeschwerden im Bereich der linken Hand auf. Ursache sind die wiederholten Extensionen und Radialabduktionen des Handgelenks beim Golfschwung.
Die Rumpfdrehung beim Golfschwung, die anhaltende Vorneigung beim längeren Üben von kurzen Schlägen und die extreme Hyperlordosierung der Lendenwirbelsäule am Schwungende bei Distanzschlägen können auch bei jüngeren Sportlern zu Schmerzen im Rückenbereich führen. Von den Bandscheiben werden vor allem Torsion und Hyperextension schlecht toleriert - besonderes bei unzureichender muskulärer Führung.
Bei jüngeren Spielerinnen und Spielern finden sich Tendopathien im Bereich der Rückenmuskulatur. Als präventive Massnahme wird die augewogene Kräftigung der gesamen Rumpfmuskulatur empfohlen, zumal bei Golfspielern starke muskuläre Dysbalancen in den Lateralflexoren und Rotatoren des Rumpfes nachgewiesen wurden. Beim Rückenbeschwerden sollte die Drehbewegung verkürtzt und eine Hyperlordosierung am Ende Des Drehschwungs (Finish) vermieden werden. Schwere Wirbelsäulenveränderungen und Instabilitätsprobleme (zB. symptomatische Spondylolisthesis) stellen eine Kontraindikation zum Golfsport dar, beziehungsweise erfordern eine vorherige intensive sportorthopädische Beratung.
Extremtäten
Die Diagnose "Golferellenbogen" beschreibt eine Insertionstendopathie des Musculus pronator teres und der Hand- sowie Fingerbeuger, die am Epicondylus humeri ulnaris ansetzen. Ursache der Beschwerden ist der zu feste, verkrampfte Griff des am Golfschläger mit der rechten Hand sowei der forcierte Übergang der rechten Hand aus der Mittelstellung in die Pronation im Treffmoment des Balls. Vor allem ältere Spieler mit falscher Technik sind betroffen. Spieler, die den linkekn Ellbogen beim Rückschwung starkt gebeugt halten, führen eine verstärkte Streckbewegung beim Abschlag durch, was zu einer vermehrten Belastung der Extensoren des Unterarms und einer Insertionstendopathie am radialen Epicondylus führen kann. Abhilfe schaffen hier eine verbesserte Technik, ein veränderter Schlägergriff sowie Therapie.
Die Beschwerden bei der sogenannten "Golfschulter" werden durch entzündliche Veränderungen der langen Bizepssehne hervorgerufen. Das stereotype wiederholte Üben des Golfschwungs zwingt die Supraspinatussehne bei der Elevation des Arms immer wieder in die Enge zwischen Schulterdach und Humeruskopf, was degenerative Veränderungen provozieren kann. Das Durchschwingen des Golfschlägers führt zu hohen Pressdrücken im Schultereckgelenk und kann hier ebenfalls Schäden hervorrufen. Bei therapieresistenten Beschwerden kann eine veränderte Technik (verkürzter Golfschwung hilfreich sein.
Innenband und Innenmeniskus des Kniegelenks sind in der Endphase des Golfschwungs einem erhöhtem Valgus- und Aussenrotationsstress ausgesetzt, was bei älteren Golfspielern zu einer Ligamentopathie und Meniskopathie führen kann.
Dt Ärzteblatt 2001; 98 A 2356-2360 (Heft 37)